29 Apr 2010

Nachtwind (Teresa): Wege


„Zwei Blinde, die hoffen einen Weg zu finden, den sie nicht sehen können.“
„Ich kenne den Weg.“
„Aber ihr geht ihn nicht.“
„Stimmt.“
„Warum nicht?“

Teresa musste feststellen, dass sie die Antwort darauf kannte, sie nur nicht aussprechen wollte.

Weil es mir nicht zusteht.

Wie so oft seit sie ihn kennt, so kommt es ihr vor, hat Sethur einen Fehler begangen ohne ihn zu bemerken. Wie so oft, so kommt es ihr vor, versucht sie das wieder gut zu machen. Also bringt sie mit Hilfe der Sandwind die beiden Männer dazu, aufeinander zu zu gehen.
Hätte sie gewusst, dass das ihr den Zorn eines bevormundeten Kindes einbringen würde, hätte sie wohl davon abgesehen.
Hätte sie gewusst, dass der Zorn des Kindes sich in ein blind gesprochenes Geständnis wandeln würde, ein lautes Bekenntnis in die stille Nacht der Siedlung Haberhold gebrüllt, hätte sie dann davon abgesehen?

„Wenn er mich verletzt hätte, wäre ich vielleicht gegangen – aber zurückgekommen, weil er mir wichtig genug ist. ER wäre auch zurückgekommen!“
„Was für ein dämliches Spiel. Wegschicken, weil sie ja wiederkommen. Das ist bescheuert!“
„Er ist gegangen, weil er missverstanden hat. Ich habe ihn NICHT weggeschickt!“
„Doch, hast du! Und es nicht gemerkt! ich hab die Scheiße nur richten wollen, verdammt!“
„Und IHR predigt mir, zu sagen, was ich denke. Ich HABE gesagt, was ich dachte, dass ich seinen SCHUTZ nicht mehr brauche! Nicht mehr!“
„Wir schützen dich nicht, weil du es nötig hast, sondern weil wir dich lieben!“
„Und ich liebe Euch!“

Hmmm…
Was für eine Nacht!
Wie gut er aussieht. Scheiße. Besser als sein Bruder, oder? Kann ich nicht mehr sagen, ist zu lange her. Jetzt lerne ich schreiben, Zumindest meinen Namen, auch wenn es mich verrückt macht. Aber das ist das MINDESTE, was ich mir an Bildung antun könnte, oder?
Von wegen krank.
Ich sollte seinen Leuten vielleicht mal sagen, wie verdammt gesund er wirklich ist.

„Und jetzt? … was willst du jetzt … tun? Ich meine … Du weißt schon.“
„Weiß ich?“
„Ja.“
„Alles ist anders, jetzt. Was ich tun will – das leben, was wir spielten. Nur… was, wenn verlangt wird, weiter zu gehen? Was willst _Du_ dann tun?“
„Weiter gehen?“
„Wenn sie verstanden haben, dass alles echt ist. Dass ich dich liebe – mit jedem Teil von mir. Du weißt, was der – Fürst dann verlangen könnte, was wir tun. Standesgemäß.“
„Ich heirate dich, wenn du mich darum bittest.“

Und das wird sie tun. Sie feiert innerlich seit jeher ihren inneren Fackelzug, trunken vor Glück, wenngleich auch achtsam. Immerhin kann sie nicht wissen, wie lange ihr dieses Leben vergönnt sein wird.
Wie befürchtet folgt dem Glück die Katastrophe auf dem Fuße. Jetzt sind sie nur noch zwei, die den Weg weiter gehen würden. Cúronsûl hat sie verlassen, er hat IHN verlassen – und ihm das Herz damit gebrochen, wie sie vermutet. Also nimmt sie sich vor, es ungeschehen zu machen, es heilen zu lassen. Seine Wut zu mildern. Sie nimmt ihn mit in ihre Welt.
Nur für einen Augenblick, doch lang genug um einander näher zu sein als zuvor.

Ich muss mir von Cúronsûl nicht sagen lassen, was sich kann und was nicht. Oder was ich bin und was nicht – oder was ich will und was nicht. Das weiß ich. Ich kenne mich gut und lange genug.
Immerhin war ER es, der UNS verließ. Das miese Arschloch.
Soll mir noch mal begegnen.
Wird sehen, was er davon hat.
Nachtwind?
Nein.

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