19 May 2010

Nachtwind (Teresa): Finden

Nichts ändert sich.
Ein Mann aus der verlassenen Herberge feiert mit ihr. Das zumindest ist der Plan.
Er nimmt sie mit in sein Haus, sie steigen in einen Badezuber. Teresa hat ihre Mühe damit, ihren Rausch der Eindringlichkeit seiner Fragen anzupassen. Glücklicherweise ist auch er nur ein Mann und lässt sich von einem nassen Frauenkörper schnell ablenken. Der Branntwein im Blut tut in Kombination zum heißen Badewasser sein übriges. Der nächste Morgen jedoch ist Katastrophe pur.
Sie steht nicht mehr sicher auf ihren Beinen, der Schädel droht zu bersten, der Mageninhalt wird als erste Handlung des Tages direkt dem Blumenbeet vor dem Schlafzimmerfenster überantwortet. Ihr Gastgeber stellt wieder Fragen. Teresa ist genervt und hat nur ihre Flucht im Sinn, die sie rücksichtslos und undankbar bei der ersten Gelegenheit ergreift.

„Scheiße, seit wann bin ich eigentlich so verdammt nett…“
Frage ich mich auch.

Den Rest des Tages verschläft sie, irgendwo, an einem Lagerplatz im Wald. Sie erwacht, als es regnet und lenkt ihre Schritte in Richtung Bree. Im tänzelnden Pony kauert sie auf der Bank im Kaminzimmer, bis sie sich einigermaßen aufgewärmt und trocken fühlt. Sie verflucht ihren erschöpften Körper der seit mehreren Tagen ohne feste Nahrung auskommen muss. Sie verflucht den tiefen Schmerz, den sie immer noch spürt und ihren Magen dazu, weil sie den Schmerz nicht mehr einfach so betäuben kann, ohne sich übergeben zu müssen.

Irgendwann hält man ihr ein Bier unter die Nase und sie nimmt es ohne nachzudenken. Ihre Gedanken sind träge, alles was sie will ist schlafen, daher erkennt sie den Mann nicht gleich. Es ist derselbe wie bei ihrem letzten Besuch im tänzelnden Pony. Der Verrückte, der sie mit Katzen und Kindern vergleicht.
Das tut er auch dieses Mal. Trotzdem ist er ihr, vermutlich schon beim letzten Treffen, in die Falle gegangen. Aufmunterungsversuche, gutes Zureden, freundliche Worte, ein frischer Apfel aus der Küche.

Ein Apfel. Wie passend. Kann er nicht einfach sterben gehen?


Den Gefallen tut er ihr nicht. Stattdessen hat das Gespräch zur Folge, dass sie sich wieder etwas menschlicher fühlen kann, etwas klarer denken kann. Seine Art erinnert an Nimrothir, mehr noch als Sethur es jemals könnte. Sie tanzen mit Worten umeinander herum. Dann der Apfel.

Als nächstes will er mich wohl füttern.

Tatsächlich laufen Beide einander in die Falle, was zu Folge hat, dass Teresa ihm nach Hause folgt – wie eine streunende Katze, die jeden Tag vor derselben Haustür eine Schale Milch vorfindet, so hat sie sich an ihn gewöhnt. Die Siedlung kommt ihr bekannt vor, doch zunächst schenkt sie diesem Umstand keinerlei Beachtung. Es ist anstrengend, geradeaus zu laufen, nicht zu stolpern oder sich einfach in den Straßenstaub fallen zu lassen. Die letzten Tage fordern ihren Tribut, was ihr Gastgeber nicht unbemerkt lässt.

Mir ist so schlecht. Ich will nichts essen, was ist sein Problem? Soll froh sein, das ich ihn noch nicht angekotzt habe. Er ist wie Nim. Tut dasselbe, sagt dasselbe. Nervt genau so wie er. Aber Nim ist tot. Und der hier ist nicht er. Vor allem aber ist er nicht Sethur. Niemand ist wie Sethur. Er kann es niemals sein.
Neuer Kater? Für mich?
Ich will ihn nicht!


Später liegt sie neben ihm. Sie ist zu erschöpft, um abermals vor einem Fremden und seiner Freundlichkeit zu flüchten. Dabei kommt ihr etwas in den Sinn, dass er ihr im Laufe des Abends sagte. Eidmann und Soldat vor allem.

„Sind wir hier in Krähenhöhe?“

Sie muss das Nicken nicht abwarten, um die Antwort zu kennen. Jetzt weiß sie, warum die Siedlung ihr bekannt vorkommt. Glücklicherweise schläft sie schnell ein, so bleibt ihr wenig Zeit, sich über diese Fügung zu ärgern.

Der nächste Morgen jedoch gibt ihr viel Zeit und Gelegenheit dazu. Sie gibt sich keine Mühe leise zu sein, als sie sich wieder ankleidet. Er sieht ihr schweigend zu. Nicht einmal ein Wort des Abschieds wird gesprochen, Teresa geht einfach hinaus in den Regen und schleicht sich kurz vor Sonnenaufgang aus der Siedlung.
Gaven findet sie, wenige Stunden später, in der verlassenen Herberge. Er läuft in den unteren Räumen dem Säufer über den Weg, der gerade aus ihrem Zimmer kommt, sich noch den Gürtel schließend. Sie ist betrunken, bekommt nicht mit, wie er sie die Stufen hinauf schleift und auf sein Pferd hievt. Als sie wieder zu sich kommt, spürt sie eine schmale, kühle Hand an der Stirn und kann den leichten Geruch von Lavendel zwischen den stärkeren Kräutergerüchen im Heilerhaus wahrnehmen.

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