21 May 2010

Nachtwind (Teresa): Gedanken, vor dem Einschlafen

Wie er mich angesehen hat, als sähe er mich zum allerersten Mal in seinem Leben, mit dem Wissen um die Liebe in seinem Herzen. Sein Blick war gleichsam unerträglich und eine Wohltat. Ich konnte fühlen, wie er über mich glitt, wo er verharrte. Zunächst heiß und schneidend, schmerzhaft. Dann wohlige Wärme hinterlassend, befreiend.
Seine Augen sind das Fenster zu seiner Seele.
Ganz gleich was er sagt, was sein Gesicht mir vermitteln will, wenn ich ihm in die Augen sehe, sehe ich die Wahrheit. Es ist, als könnte ich lesen. Ein Buch, dass nur von ihm handelt, von seinen Gefühlen. Vermutlich das einzige Buch, dass ich jemals lesen werde.
Oft lese ich in ihnen Unsicherheit, Zweifel, Misstrauen. In letzter Zeit kam stille und tiefe Verzweiflung hinzu. Er hat es nicht leicht. Nicht mit mir, nicht mit seinen Entscheidungen. Aber ich sehe auch Liebe, Sehnsucht, Zärtlichkeit. Ich sehe all das, was ich ihm geben will und was ich von ihm fordern will.
Manchmal ist da Scham, vermutlich weil er mir nicht geben kann, was ich brauche. Oder weil er unsicher ist, seine Hemmnisse nicht überwinden kann. Ich verstehe nicht, was ihn hemmt. Seine Erziehung? Vorangegangene, verlorene Liebe? Enttäuschungen? Regeln? Eine verständnislose Gesellschaft?
Er hat viel durchmachen müssen. Vielleicht mehr als ich. Meine Narben sind sichtbar, seine nicht. Ich habe meine gesehen, gespürt, habe sie akzeptiert. Weiß er, dass er Narben hat? Tief und verwachsen? Spürt er sie? Kennt er ihren Ursprung?
Sein Blick ist tief, wandert mir unter die Haut, streift mein Herz, dringt tief in meine Seele. Selbst wenn ich mich ihm verschließen wollte, ich könnte es nicht. Zu schön sind die mitternachtsblauen Augen. Ein tiefes, stilles Meer, in dem es sich zu ertrinken lohnt.

Ich erinnere mich, wie es war, als er mich zum ersten Mal berührte.
Seine Hände, sonst stets kühl, wanderten über meine Haut und ich fühlte mich, als würden sie nichts als glühende Asche hinterlassen. Sie wärmten sich, an mir, an jeder weiteren Berührung. Als bräuchte er mich um überhaupt Wärme zu empfinden. Das ist ein wundervoller Gedanke…

Seine Hände. Ich liebe seine Hände – Und ich bin so ein Trottel, das nicht in Worte fassen zu können, um es ihm begreiflich zu machen, warum ich sie liebe.

„Sie sind stark, aber nicht zu stark – und schön – und sanft.“

Ebenso hätte ich die Vorzüge eines Gauls beschreiben können. Warum habe ich nicht gesagt, was ich fühle?
Deine Hände sind unsere Verbindung. Wenn ich sie sehe, möchte ich sie küssen, möchte sie spüren. Sie sind, was du bist. So wunderschön, sauber, kräftig und doch weich. Sie sind makellos. Sie wärmen sich an mir und lassen dich fühlen, was ich fühle. Wenn sie unsicher sind, kann ich sie halten. Du verbirgst sie vor der Welt und das liebe ich ebenso. So stelle ich mir gern vor, dass sie mir vorbehalten sind. Ihre Bestimmtheit, ihre Zärtlichkeit, ihre Unsicherheit, ihre Forderungen. Sie machen mich unruhig und geben mir zugleich Sicherheit.

Warum konnte ich DAS nicht sagen?
Warum kann ich es nicht aufschreiben?
Es schmerzt mich, ihm nicht mitteilen zu können, wie ich mich fühle. Was er in mir auslöst, wie sehr ich ihn brauche. Manchmal – nein, eigentlich so gut wie immer – glaube ich, dass so schöne und klug gesprochene Worte mir einen Zugang zu seinem Herzen gewähren würden, den ich anders nicht erreichen kann.
Was er sagt, klingt immer klug und schön. Selbst wenn er Unsinn redet. Mir ist oft gleich, was er sagt, denn ich höre ihm einfach gern zu. Dann bin ich unaufmerksam und verstehe ihn am Ende nicht. So fällt ihm dann wieder auf, dass ich nicht gebildet bin. Das mir vieles entgeht, was für ihn selbstverständlich ist. Wenn er doch nur wüsste, warum das so ist.
Ich höre dir zu, könnte ich ihm sagen. Ich höre deine Stimme und bin gefangen. Du lässt mir keine andere Wahl, als zu genießen. Selbst wenn du wütend bist. Oder verletzend. Es ist in Ordnung, denn ich kann dich hören, sehe dir in die Augen und lese deine Gefühle. Greife nach deinen Händen und spüre deine Nähe. Sehe dir auf den Mund und muss lächeln, weil mein erster Gedanke dabei immer derselbe ist. Immer. Überwältigend verlockend.
Aber das weißt du, du weißt es, weil ich selten an mich halte. Nachgebe. Keine Selbstbeherrschung.
Warum auch? Ich will dich genießen, solange ich es noch darf.

Ich wünschte, es gäbe eine Lösung. Einen Weg.
Ich will nicht mehr ohne ihn sein.
Jemand muss ihn lesen können, muss ihn halten können. Wir werden es niemals einfach haben. Er nicht mit mir, ich nicht mit ihm. Aber ich will es trotzdem, ganz gleich wie viel Kraft es mich kosten wird. Er braucht mich, das weiß ich – und ich weiß, das er es auch eines Tages wissen wird.
Fraglich bleibt, ob meine Kraft bis zu diesem Tage reichen wird.
Sollte sie es nicht, war er es wert.
WIR waren es wert.

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