25 May 2010

Nachtwind (Teresa): Nur ein Traum

Teresa findet sich in Krähenhöhe wieder. Sie steht unweit des Siedlungstores, blickt die Straße entlang. Sie ist verwirrt, weil sie nicht weiß wie und vor allem WARUM sie hierher kam. Als sie sich abwenden will, versagen ihre Füße ihren Dienst. Ihr Körper will bleiben, hier, an dieser Stelle. Sie versucht es mehrmals, jedesmal ohne Erfolg.
In schlechten Träumen, so weiß sie, funktioniert häufig das Gegenteil dessen, was man zu tun wünscht.
Also macht sie einen Schritt nach vorn – was erfolgreich ist. Es folgen weitere, zögerliche Schritte, bis sie in etwas auf der Höhe des ersten Grundstückes der Siedlung steht.
In der Nähe raschelt es, in einem Busch. Darauf folgen rasche Schritte über das kurze Gras.
Teresa bleibt alarmiert stehen, sie kennt diese Geräusche. So klingt es, wenn sie nicht gesehen werden will. Allerdings nur für sie selbst, sie kann sich sicher sein, dass niemand sonst sie hören kann. So wie sie selbst vor Aufregung ihr Herz klopfen hört, kurz bevor ihre Klingen ihr Ziel finden.
Noch ehe sie den Gedanken weiterverfolgen kann, hört sie das Knirschen des Sandes auf dem Weg unter den leisen Sohlen. Wieder so laut, als wären es die Eigenen. Also blickt sie an sich herab, betrachtet ihre Stiefel. Nein, nichts. Sie steht am Wegesrand im Gras.

Es kommt Bewegung in die schlanke Frau. Ganz gleich wer sich so ungeschickt durch die Siedlung stehlen will, er kann nichts gutes im Sinn haben. Was nicht unbedingt verhindert werden muss, wenn es das Richtige ist und er Erfolg haben wird. Teresa schmunzelt beim Gedanken an den Fürsten, nieder gestreckt vom Dolch eines Unbekannten. Was für eine Gelegenheit. Kein Fürst, kein Eid.
Eilig schleicht sie den verräterischen Geräuschen nach und muss feststellen, dass, obwohl sie auf offenen Wege steht, sie niemanden sehen kann, wenngleich der Andere in unmittelbarer Nähe sein müsste.
Schritte nähern sich. Nicht die sicher gesetzten, vorsichtigen, sondern unbedacht gesetzte Schritte eines Spaziergängers. Nein, zweier Spaziergänger. Gleichzeitig kann sie hören, wie der Sand unter den fremden Stiefelsohlen abermals knirscht, als würde er sich eiligst abwenden und außer Sichtweite der Spaziergänger springen.

Sie selbst bleibt auf dem Weg stehen, der sich an dieser Stelle mit dem Brunnenweg kreuzt. Zwei Männer kommen aus dieser Richtung, ins Gespräch vertieft. Sie kennt beide, ein Lächeln schenkt sie dem einen, den sie liebt. Einen Blick voller Verachtung dem anderen, der diese Liebe unterbindet. Sie bemerken sie nicht, obwohl sie mittlerweile in Hörweite direkt vor ihnen steht.
Teresa Gedanken wandern zurück zu dem Fremden, der durch die Siedlung schleicht. Sie lauscht, einen Moment lang abgelenkt von der vertrauten Stimme des Geliebten, kann sie dennoch hören, wie der unbekannte Schatten Position bezieht. Hinter den Männern – auf der falschen Seite.

Mit wenigen Schritten ist sie bei den Männern, welche sie verwundert ansehen, fragenden Blickes. Für einen Wortwechsel hat Teresa keine Zeit. Sie kann förmlich spüren wie sich behandschuhte Hände um die Griffe zweier Dolche legen, wie sie mit lautloser Sicherheit gezogen werden und der Körper des Unbekannten sich spannt wie eine Bogensehne für den tödlichen Schuss, ehe er zum Schlage ausholt.
Unbewusst tut sie dabei genau dasselbe, weswegen beide Männer jeweils einen Schritt vor ihr zurückweichen, nach ihren allgegenwärtigen Schwertern greifend. Doch ist es nicht Teresa, die eine Gefahr darstellt und ein gut vorbereiteter Dolch ist sehr viel schneller als ein eilig zur Verteidigung gezogenes Schwert. Daher ist es ihre Klinge, die das metallisch schleifende Geräusch verursacht, als der Angreifer einen Schlag gegen sein Opfer ausführen will, und von ihr davon abgehalten wird.

Der Kampf ist kurz, fast zu kurz, um Eingreifen zu können. Automatisiert begegnen die Kämpfenden einander mit den kurzen Klingen, keiner verletzt den Anderen. Es ist, als würde Teresa gegen jemanden kämpfen, der exakt dieselbe Ausbildung hinter sich hat.
Wenige Schläge und sie steht mit dem Rücken zu dem Mann, den es um jeden Preis zu schützen gilt, als sie spürt, das genau das die Absicht des Angreifers war. Sie sollte abgelenkt sein, vom eigentlichen Ziel. Einen Schritt zu weit entfernt stehen, um das Unausweichliche zu verhindern.

Sie sieht sich ihrem Ziel nahe, den Fürst seinem Angreifer unterliegen. Zum ersten Mal seit Beginn des Kampfes nimmt sie diesen, eine Frau, wahr. Sie sieht dunkle Locken, ungebändigt das blasse Antlitz umrahmen. Helle Augen, eine kurze Narbe auf dem linken Wangenknochen. Die Frau ist schlank, zu schlank, um genau zu sein, bewegt sich mit einer Mischung aus Eleganz und sicherer Direktheit. Dunkle Kleidung. Ein Abziehbild ihrer selbst.
Sie sieht den Fürst einen Schlag parieren, abfälschen, doch seine Deckung zu offen für eine schnell geführte Waffe lassend. Teresa denkt nicht nach, trotz des Erkennens der anderen Frau. Sie überbrückt den kurzen Abstand zu den Kämpfenden und ersetzt die vernächlässigte Deckung.
In diesem Augenblick durchdringt die unerbittliche Klinge der Anderen ihre Kleidung, ihre Haut. Sie spürt den nicht zu beschreibenden Schmerz, als Schneide auf Rippe trifft, als der Dolch mit einem hartnäckigen Ruck weiter in ihren Körper getrieben wird.
Teresa schnappt nach Luft, sie prallt mit dem Rücken gegen die Brust des Fürsten, den sie soeben vor diesem Angriff schützte, ihre eigenen Dolche fallen lassend und sich an das Handgelenk ihrer Gegnerin klammernd.
Ihre Beine geben schnell nach, sie geht zu Boden. Den restlichen Kampf bekommt sie nicht mehr mit. Erst als sich zwei schlanke Hände unter ihren Kopf schieben und sich ein geliebtes Antlitz in ihr Sichtfeld drängt, zwingt sie sich zur Konzentration. Er hat Tränen in den Augen, wiederholt immer wieder bestimmte Worte, die sie nicht mehr hören kann. Sie schenkt ihm ein letztes Lächeln.
Als ihr Kopf dann zur Seite fällt, ist das letzte, was sie in ihrem Leben sehen kann der Fürst, lebend, wie er sein Schwert aus der Brust der Fremden zieht. An eben derselben Stelle, an der sie selbst tödlich getroffen wurde.

Teresa erwacht, mit einem spitzen Schrei, aus diesem Alptraum.
Orientierungslos streift ihr Blick das fremde Haus, indem sie sich befindet. Sie erkennt nichts wieder. Doch sitzt der Horror ihres Traumes ihr noch zu tief in den Knochen, als das sie dem Beachtung schenken könnte. Sie verbirgt das Gesicht in den Händen, zwingt sich zur Ruhe, als sie spürt, wie der Mann neben ihr sich aufsetzt, ihr eine kräftige Hand auf die Schulter legt, diese sanft drückend, Beistand gebend.
„Nur ein Traum.“
Sie hört sein Murmeln und nickt. Natürlich, nur ein Traum. Dann spürt sie seine Küsse auf der nackten Schulter, muss lächeln, legt den Kopf zur Seite, um ihm Raum für mehr zu lassen.
Langsam kehrt die Orientierung zurück und mit ihr der Argwohn. Etwas ist nicht richtig.
Seine Küsse sind anders, seine Hände sind anders. Er fühlt sich anders an, seine Stimme klingt ebenfalls nicht richtig. Er riecht sogar nicht wie der, den sie an ihrer Seite erwartet.
Langsam wendet sie sich ihm zu, will ihn ansehen. Sein Körper ist anders.
Sie stellt fest, dass auch sein Haar länger ist, als es sein sollte, als er ihren Arm mit Küssen bedeckt. Sie greift hinein, zwingt ihn sanft, aber nachdrücklich sie anzusehen – und sieht das Lächeln des Mannes auf sich ruhen, den sie in ihrem Traum mit dem eigenen Leben beschützt hatte.



Ein weiterer spitzer Schrei, ein dumpfer Aufprall, gefolgt von einem schmerzenden Hinterteil und aufgeschürften Ellbogen holen Teresa zurück aus der Traumwelt in die Realität. Sie sitzt auf dem Boden neben ihrem Bett, heftig atmend, wie nach einem langen Lauf. Verwirrt versucht sie die Erinnerungen an ihren Traum zu sortieren – und an den Traum im Traum.
Heute Nacht würde sie nicht mehr schlafen. Nicht freiwillig.

Sterben. Gut. Das ist mir oft passiert.
Aber _den_ leg ich sicher NIEMALS flach!

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