26 Apr 2016

SWtoR: Emergency Room (3)

Seit ein paar Stunden hat die Ärztin schon so ein komisches Gefühl. Eine Vorahnung, substanzlos, visionslos. Nicht angenehm, aber auch nicht schmerzhaft. Sie lenkt sich mit Tee und einem leise geführten Gespräch neben dem schlafenden Patienten in der MedBay ab. Ein gutes Gespräch, wie sie findet. Von der Art, die ihre Achtung vor dem Gesprächspartner wachsen lässt, zumindest ihrerseits. Der Padawan auf der Suche nach einem Freund. Er will eine Lücke schließen, möglicherweise in seinem Herzen. Mhia kennt seine Geschichte noch nicht vollständig, vermutet hinter seinem Verhalten aber jede Menge Verlust und Enttäuschung, von dem einen mehr als vom anderen. Vielleicht kann sie ein bisschen Hilfestellung geben, überlegt sie. Er hat es verdient, so wie er schützend seine jugendlichen Hände über Kalles Fehler halten will. Ein blauer Fleck mag für ihn nichts besonderes sein und sie ist sich absolut sicher, dass Zhay die Situation für sie heruntergespielt hat. Aber ein “blauer Fleck” ist auch immer eine Verletzung. Kalles Hände haben genug Druck auf Zhays Arme ausgeübt, um Blutgefäße im Gewebe zu beschädigen. Das bedeutet, sie haben Gewalt ausgeübt. Das ist Körperverletzung. Strenggenommen war es Misshandlung eines Minderjährigen.

Technisch gesehen ist er noch ein Kind, Kalle. Du hättest es besser wissen müssen. Warum machst du es dir so schwer?
Stattdessen hilft Mhia eben Zhay. Sie trägt eine kühlend und abschwellend wirkende Salbe auf seine Blessuren auf. Es mag nur eine leichte Verletzung sein, aber sie fühlt sich schuldig, weil es niemals hätte passieren dürfen. Sie selbst schafft es nicht Kalle auf eine Art zu helfen, die für ihn annehmbar wäre. Der junge Padawan hat also sehr viel mutiger gehandelt als sie es bisher getan hat. Das gibt Stoff zum Nachdenken, wofür Mhia dankbarer ist als sie es zeigt.


Wieder hat die Ärztin ein ganz mieses Gefühl. Eben kam die Aufforderung, dass sich alle in der MedBay einzufinden haben. Nun, sie ist immerhin schon hier und muss nichts weiter tun als aufrecht stehen, warten. Atmen.
Nach und nach trudeln alle anderen ein. Sie sind zu… neunt. Zu viele, um sich dauerhaft auf einem kleinen Frachter aus dem Weg zu gehen und auch zu viele um einander jetzt zu ignorieren, obwohl alle mit den eigenen Gedanken beschäftigt sind.
Die Unruhe im Raum ist nahezu greifbar, als Blue - wie heißt sie eigentlich richtig? Ich muss sie fragen - als Letzte dazu stößt und wie angekündigt einen Stick an das Holo anschließt.

… I'm leaving tonight …
Weg, weg, weg.
Das miese Gefühl schwillt zu einen Rauschen in den Ohren an. Das Bauchgefühl weicht einem schwarzen Loch, schmerzhaft, dunkel und leer.
Alles, was Mhia jetzt will: nur weg. Fort von hier. Fort von ihrem Patienten, raus aus der MedBay, runter vom Schiff.
… Going somewhere deep inside my mind ...
Doch sie atmet tief durch, strafft die Schultern und lauscht auf das unangenehme Rauschen, bis es entfernt nach Musik klingt und leiser wird. Flucht ist nicht wirklich eine Option und wirklich, wirklich unvernünftig.
Dann startet die Holoaufzeichnung.
… I close my eyes slowly …
Sie kennt diese drei Personen nicht, aber sie versteht. Und wünscht sich so sehr, sie täte es nicht. Jetzt sind sie alle ihrer Sicherheit beraubt, ihrer Heimat. Entwurzelt. Im Ungewissen und ohnmächtig das geringste bisschen dagegen zu tun. Jetzt sind sie alle gleich.
… Flowin' away slowly …
Mhia erinnert sich immer wieder daran, nicht zu verkrampfen. Sie zwingt sich, aufrecht und entspannt zu stehen, ruhig zu wirken. Sich irgendwie zu beschäftigten. Die Flutwelle der Emotionen in diesem Raum zu ignorieren, sie durch sich hindurch fließen zu lassen. Sie kann jetzt nichts tun, um etwas am Geschehenen zu ändern. Sie kann es nur ertragen.
… But I know I'll be alright …
Das hier hat nichts mit Empathie zu tun, nichts mit Machtsinnen. Hier und jetzt in diesem Moment wäre selbst totes Felsgestein gezwungen zu fühlen, soviel ist klar. Wie von selbst heftet sich ihr Blick genau bei diesem Gedanken an die Chiss. - Ihre Reaktion ist interessant zu beobachten. -
… It's coming stronger to me …
Alle haben gelernt, sich zusammen zu reißen und zu funktionieren. Selbst Kalle hat sich im Rahmen seiner Möglichkeiten im Griff und Mhia ertappt sich dabei, das mit Stolz feststellen zu können. Sie leitet daraus eine mögliche Behandlungsoption ab.
Als Ärztin ist die MedBay ihr Bereich, ihr Hoheitsgebiet. Also korrigiert sie abermals die eigene Körperhaltung und bemüht sich um Gelassenheit. Es ist ihr Revier, hier ist sie sicher.
… And I know someone is out there …
Johnsons Vitalwerte sind alamierend in dieser Situation, deswegen schaltet sie die Akustik am Display ab - nervige Alarmtöne in der MedBay sind alles andere als entspannend - und bereitet einen Hypo-Injektor mit dem Beruhigungsmittel vor.
Großzügig dosiert, man kann nie wissen.
… Lead the way …
Der Patient - Mr. Johnson - hält eine kurze, aufrührerische Motivations-Ansprache. Tapferkeit vortäuschen hilft denen, die einem folgen. Das scheint er gut im Griff zu haben, denn seine kollektive Kampfansage wird von beinahe allen gut aufgenommen und gibt ihnen Hoffnung. Also unterstützt sie das in diesem Moment auch gegen ihr Gewissen. Sie ist sich sicher, dass er in blindem Aktionismus auch tatsächlich tun würde, womit er droht. - Der Zweck heiligt die Mittel? -
… Lead the way …
Als alle die MedBay wieder verlassen haben, gönnt Mhia sich einen Augenblick Zeit, um selbst durch zu atmen. Corellia zu verlassen war die eine Sache. Nun herauszufinden, dass das Herz der Republik ebenfalls nicht sicher ist - nie sicher war - ist eine ganz andere. Es wirkt, als hätte man aus nichts gelernt. Als hätte man jahrelang eine Lüge gelebt, die wie eine schwärende Wunde nur mit einem billigen und viel zu kleinem Hello-Hutty-Pflaster abgedeckt wurde. Jetzt kommen die Zakuul und reißen es mit roher Gewalt ab, vergrößern die Wunde, lassen stinkenden Eiter und dunkles Blut fließen. Verursachen Schmerz und verbreiten Angst. - Sie lassen uns keine Wahl. -
Wunden, Blut, Eiter, Schmerz. Das sind Dinge, mit denen sie sich auskennt. Sie ist Ärztin und kann sicher nicht die ganze Galaxie heilen, aber sie kann hier vor Ort damit anfangen die Zustände zu verbessern. Zukünftig werden geistig und körperlich gesunde Leute gebraucht. - Dringend gebraucht. -
… Show me the answers I need to know …
Johnson sollte eigentlich wirklich noch ein paar Tage liegen, findet sie. Trotzdem erklärt sie ihm seine Optionen, als er danach fragt. Warum es notwendig ist, jetzt ein bisschen Dampf abzulassen und ein System zur Beruhigung zu nutzen, dass keine körperliche Aktion erfordert. Das Gute an Soldaten ist: Man kann ihnen sagen, was sie zu tun haben. Vor allem, wenn sie nicht viele Optionen haben und das erleichtert ihr die folgende Dreiviertelstunde erheblich.
Mhia findet in dieser Zeit sehr viel mehr über ihren Patienten heraus als in den letzten zwei Tagen, die sie ihn schon in Behandlung hat. Langsam kann sie sich ein deutliches Bild von ihm machen. Keine hohe Kunst, nicht unbedingt schön, viel zu restaurieren. Eine Diagnose, die vermutlich auf die sieben anderen an Bord ebenfalls zutrifft.

Als sie sich für ein paar Stunden Ruhe zurückziehen will, fällt es ihr schwerer als sonst die Gedanken zu ordnen, den Geist zu leeren. Ein Problem, dass sie in der Regel mit steigender Langeweile oder Unterbeschäftigung assoziiert. Nicht mit Situationen wie diesen.
Wobei… Eine Situation wie diese gab es in dieser Form noch nicht.
Außergewöhnliche Situationen erfordern außergewöhnliche Maßnahmen, so heißt es. Also geht sie zurück an den Anfang. Dorthin, wo alles beginnt. Mhia schließt ihre Augen und erinnert sich zum ersten Mal in den letzten sieben Jahren an die Worte, die den größten Teil ihres Lebens bestimmt haben.

Es gibt keine Gefühle … what I'm gonna live for …
Nur Frieden. … what I'm gonna die for …
Es gibt keine Unwissenheit … who you gonna fight for …
Nur Wissen … I can't answer that …

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