20 Jan 2013

Frau Schneider und die Handwerker (3)

Tag eins
Fortsetzung


Maximilian Schneider liegt, wie ihr Vater, in einem Krankenbett. Nur fehlen die vielen Geräte, an die er angeschlossen sein müsste. Er liegt auf der Seite, weil sein Rücken komplett verbrannt wurde. Elisabeth geht langsam um das Bett herum und wappnet sich gegen seinen Anblick. Max überrascht sie, indem er die Augen öffnet und ein träges „Lieschen“ flüstert. Ein paar Schrammen im Gesicht, nichts schlimmes. Ein bisschen blass, aber das ist sie selbst gerade auch. Verheerend sind die großflächigen Verbrennungen am Rücken und die inneren Verletzungen, hat Dr. Thierbach gesagt, glaubt sie sich zu erinnern.
„Max.“ Sie schnieft laut, kämpft gegen die Tränen und kann doch nichts gegen sie tun. Hinter ihr steht ein Stuhl, den sie sich heranzieht und darauf setzt. Dann nimmt sie seine bandagierte Hand in ihre und mit sanftem Druck.
„Muss dir was sagen, Kleine.“ Seine Stimme ist so brüchig wie sein Lebensfaden. In ihrer Brust erstarrt ihr Herz zu einem schmerzenden Klumpen.
„Musst du nicht, ruh dich aus.“
„Später.“ Er holt rasselnd Luft. Elisabeth schließt gequält die Augen, als sie das hört. Dann fängt er an zu sprechen, langsam und mühselig. Mehrere Male fallen ihm die Augen dabei zu. Jedes Mal fürchtet sie dabei, ihn nun verloren zu haben und drückt seine Hand fester. Dann öffnet er wieder die trüben Augen und versucht sich an einem Lächeln. Was er sagt, klingt für sie zusammenhangslos. „Okay“, willigt sie dennoch ein.
Danach wird es still in dem Raum und die Geschwister sehen sich stumm an, Tränen malen feuchte Spuren in ihre Gesichter. Später wird Elisabeth sich nicht mehr erinnern können, wie lange sie dort so gesessen hat, bis Max einen tiefen Atemzug macht und sie Augen schließt.
Ihre Hand verkrampft sich um seine, er erwidert den Druck leicht.
„Tu, was Mama dir sagt, Lieschen. Alles wird gut.“
Er benötigt viel Zeit für diese Worte.
„Okay.“
„Versprich es mir.“
Ich versprech’s, Max. Ich tu, was Mama sagt. Alles wird gut.“
„Wird es.“
Max lächelt und atmet wieder tief durch. Dann lässt der Druck seiner Hand nach und das Lächeln in seinem Gesicht entspannt sich. Elisabeth hält sich solange an ihrem Bruder fest, bis Dr. Thierbach den Raum betritt und ihn mit leiser Stimme für tot erklärt.

Als man sie von ihm lösen will, gerät sie in Panik. Sie schreit nach ihrem Bruder, nach ihrer Mutter und erleidet einen Nervenzusammenbruch, den die Ärzte und Schwestern nur mit Mühe eindämmen können. Um der jungen Frau etwas Ruhe zu gönnen, wird ihr wieder ein Beruhigungsmittel verabreicht. Man behält sie außerdem unter Beobachtung, während sie schläft.

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